Sanija Ameti: Wo GLP-Ratspräsident Guy Krayenbühl mit zweierlei Mass misst

Der Ausfluss der patriarchalen Kultur der Schweiz. Und Nepotismus Schweizer Art? Wenn sich Interessen der Politik mit den Interessen der Justiz vermischen.

Eine Studie der Hochschule St. Gallen (HSG) stellte fest, dass Staatsanwälte im Kanton Zürich gleiche Delikte bei Frauen und Männern unterschiedlich bewerten. Gleiche Delikte führen bei männlichen Beschuldigten häufiger als bei Frauen zur Anklage. Staatsanwälte messen mit zweierlei Mass und drücken Frauen gegenüber auch mal zwei Augen zu?

Vulgär gesprochen würde sich hier die „Schwanzsteuerung des Mannes“ bemerkbar machen? Oder ist das einfach alltäglicher Sexismus der Schweizer?

Angesichts so zahlreicher gesellschaftlicher Ungleichheiten zwischen Mann und Frau wäre es sicher kein Drama, wenn Frauen im Gegenzug gegenüber Männern andernorts auch einmal bevorteilt werden.
Nun macht sich eine Bevorteilung von Frauen im Bereich der Justiz besonders schlecht. Denn sie spiegelt Willkür. Gleichbehandlung durch die Justiz ist eine unantastbare, verbindliche Vorgabe der Bundesverfassung, der Menschenrechtserklärung und anderer internationaler Vereinbarungen der Schweiz.

Heute wieder aktuell erscheint das Thema der Ungleichbehandlung durch die Staatsanwaltschaften in Zusammenhang mit dem Züricher Staatsanwalt Guy Krayenbühl.

Vorweg: Neben seiner Tätigkeit als Staatsanwalt ist Guy Krayenbühl prominent in der Züricher Politik aktiv:

  • seit Jahren amtet er als Gemeinderat der Stadt Zürich (Grünliberale),
  • bis 2023 war er Hahn im Korb (einziger Mann) im Vorstand des Vereins Spitex (spitalexterne Pflege) der Stadt Zürich
  • 2024 übernahm er das Präsidium des Züricher Gemeinderats

Sanija Ameti als GLP-Fraktionskollegin von Gemeinderatspräsident Guy Krayenbühl

Der Kontext des Züricher Gemeinderats (insbesondere der Kontext der GLP-Fraktion) bildet den Hintergrund, vor dem nun Guy Krayenbühl als Staatsanwalt unvorteilhaft in den Dunstkreist einer Kontroverse geraten könnte. Insbesondere geht es um die von Schweizer Medien im September 2024 breit getretenen Vorgänge innerhalb der GLP-Fraktion des Züricher Gemeinderats betreffend deren Mitglied Sanija Ameti:

Blick brachte den Stein ins Rollen
  1. Nach einem unvorteilhaften Medienwirbel um ihre Selbstdarstellung auf Instagram hatte sich im Internet ein Shitstorm gegen die Züricher GLP-Politikerin und Schweizer „Operation Libero“-Grösse Sanija Ameti erhoben. Ameti hatte eine Collage von Fotos von sich beim Schiessen mit einer Luftpistole im Keller ihres Wohnhauses gepostet. Als Zielscheibe zeigte die Collage ein zerschossenes Jesusbild (Maria mit Kind). Auf den Shitstorm, den dieses Instagram-Post erntete, reagierte ihre Partei auf nationaler Ebene zunächst mit einem Ausschlussverfahren (vermutlich wegen parteischädigenden Verhaltens; zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags ist dieses Ausschlussverfahren der GLP hängig).

  2. Darauf trat Sameti als Vorstandsmitglied der Züricher GLP-Kantonalpartei zurück. Als gewählte Vertreterin der Züricher Stadtkreise Langstrasse und Gewerbeschule verblieb sie aber im Stadtparlament. Sie ist damit nach wie vor – Fraktionskollegin von Staatsanwalt und Gemeinderatspräsident Guy Krayenbühl. Dieser war nur wenige Monate vor dem Eklat um Ameti zum ersten GLP-Gemeinderatspräsidenten von Zürich gewählt worden.

  3. Die Medien berichteten, dass sich die Züricher Gemeinderatsfraktion der GLP geschlossen hinter Sanija Ameti und ihren Verbleib im Gemeinderat stellte. Von ganz besonderem Interesse wäre, was Ratspräsident Guy Krayenbühl als Staatsanwalt zu ihrem Auftritt auf Instagram und den darauf gefolgten Shitstorm dachte:

    Die Züricher Medien hatten ausgiebig über Krayenbühls Antritt als Ratspräsident berichtet. „Er ist Jurist, Arztsohn, in der Zürcher Altstadt aufgewachsen, gesellig und kultiviert – aber kein Freisinniger“, schwärmte etwa die Neue Zürcher Zeitung. Grosszügig gewährten sie ihm Raum zur Selbstdarstellung etwa als „Hedonist“, wie er sich gegenüber „Tsüri“ selber bezeichnete. Sie lassen ihn einladend vom hedonistischen Lifestyle in Zürich erzählen (der Rest ergibt sich von selbst). Die Züricher Medien beschrieben seinen beruflichen Hintergrund und Werdegang. Auch zitierten sie seine Vorstellungen von der Amtsführung des Ratspräsidenten: Für ihn habe Tonalität oberste Priorität.
    Nur kritische Fragen zur Vereinbarkeit einer Tätigkeit als Staatsanwalt mit einer gleichzeitigen Tätigkeit als Gemeindeparlamentarier (und der Kumulation weiterer öffentlicher Ämter) stellten sie nicht. Die Züricher Legacy-Medien schwärmen unisono unkritisch von ihrem Staatsanwalt Krayenbühl wie etwa Staatsmedien einer DDR oder Nordkoreas von ihren Parteigrössen schwärmen würden. Dass sich die Interessen der Justiz bei Krayenbühl mit Interessen der Politik vermischen (könnten), fand hingegen nicht eine Zeitung fragwürdig; und selbstverständlich auch keine einzige Frage zur Missachtung der Menschenrechte des unter dem Namen „Carlos“ bekannten Häftlings, mit der die Züricher Justiz international Aufsehen erregte.

    Zum Eklat um Fraktionskollegin Sanija Ameti liessen ihn die Züricher Medien bis heute auch nicht vernehmen: Er schweigt. Oder die Medien lassen ihn schweigen. Wir wissen aus den Medien nur, dass sich die GLP-Fraktion des Züricher Gemeinderats mit einer Erklärung hinter Sanija Ameti und ihren Verbleib im Gemeinderat stellte.

Darf es die Züricher Wähler:innen interessieren, was „ihr“ GLP-Gemeinderatspräsident und Staatsanwalt Guy Krayenbühl über den Eklat um den Instagram-Ausrutscher seiner Fraktionskollegin denkt?

Sanija Ameti: Wo Staatsanwalt Guy Krayenbühl mit zweierlei Mass misst

Wir vom Zurich Observer wissen, wie Guy Krayenbühl als Staatsanwalt tickt, wie er noch im Jahr 2023 gegen eine Geschädigte hetzte,die einen in der Stadt Zürich praktizierenden Arzt wegen medizinischer Fehlbehandlung und diverser weiterer Delikte, unter anderem anscheinend auch sexuelle Gewalt, bei der Staatsanwaltschat Zürich-Limmat angezeigt hatte (Verfahren Nr. B-1/2022/10007385 etc.):

  1. Guy Krayenbühl versenkte die Anzeige der Patientin gegen ihren ehemaligen Arzt, die ihm zugeteilt worden war. Dazu argumentierte Krayenbühl mit dem Argument, die Geschädigte habe sich gegenüber dem Arzt auf eine Weise geäussert, die dieser zu Recht als schwere Drohung verstanden habe. Damit, dass der Arzt sich bedroht gefühlt habe, rechtfertigte Guy Krayenbühl pauschal alle Rechtsverletzungen des Arztes zum Nachteil der Patientin, selbst jene, die offensichtlich keinen Konnex zu einer allfälligen Drohung aufwiesen.

  2. Konkret behauptete Guy Krayenbühl zur Rechtfertigung seiner Nichtanhandnahme der Anzeige gegen den Arzt wörtlich, der Arzt habe „zu Recht damit gerechnet“, dass die Geschädigte „mit einer Waffe an seinem Arbeitsplatz erscheinen“ könnte.
    Notabene: Implizit rechtfertigte Guy Krayenbühl mit dieser Beurteilung jede physische Gewalt, die zur Abwehr eines Angriffs mit einer Waffe gerechtfertigt wäre. Laut Guy Krayenbühls Urteil wäre allenfalls nur schon bei Betreten der betreffenden Arztpraxis gegen die Geschädigte verübte physische Gewalt legitim gewesen, und zwar selbst tödliche Gewalt (wegen der angeblich rechtmässigen Annahme eines Angriffs mit einer Waffe, die Staatsanwalt Krayenbühl in der Nichtanhandnahmeverfügung lässig postulierte).

  3. Wie unverhältnismässig Guy Krayenbühls Auslegung eines aus dem Kontext gerissenen Satzes aus einem Email der Patientin an ihren Arzt (mit CC an eine Vertrauensperson der Patientin) ist, war nicht der Punkt in ihrer Beschwerde an das Züricher Obergericht, die auf Guy Krayenbühls Nichtanhandnahmeverfügung folgte. Denn die Patientin bestritt schon im Grundsatz jede Absicht zu einer Drohung. Insbesondere aber bestritt sie auch im Grundsatz die Möglichkeit überhaupt, dass ihr Email oder darin enthaltene Äusserungen irgendwie als Drohung interpretiert werden könnten. Mit anderen Worten: der angezeigte Arzt habe da «aus Gründen» etwas zusammen gesponnen, und Guy Krayenbühl habe in seiner Funktion als Staatsanwalt ebenso «aus Gründen» unbotmässig für diesen Arzt Partei ergriffen.
    Das Züricher Obergericht trat, aus ebenfalls nicht transparent deklarierten Gründen, faktisch auf ihre Beschwerde nicht ein. Doch es relativierte Guy Krayenbühls Ausfall immerhin etwas: Der Arzt habe zu Recht Verdacht geschöpft, dass eine Drohung vorliegen könnte (Anfangsverdacht), was seine Anzeige gegen die Patientin rechtfertige.

Züricher Staatsanwaltschaften: Männersolidarität, Männlicher Powerplay

Notabene begründete das Züricher Obergericht die Ansicht, der Arzt habe zu Recht Verdacht geschöpft, es könnte eine Drohung vorliegen, mit einem falschen Zitat.

Der vom Arzt und der Staatsanwaltschaft völlig aus dem Kontext gerissene und isolierte Satz musste auch noch umformuliert werden, um darin sprachlogisch überhaupt die Möglichkeit einer Drohung zu schaffen: um dem Arzt wenigstens zu attestieren, einen Verdacht auf eine Drohung habe er zu Recht geschöpft, hat das Obergericht den inkriminierten Satz erst umformuliert, da der Originalwortlaut im Email der Patientin nicht einmal die Möglichkeit einer Drohung sprachlogisch zulässt; anhand dieses umformulierten Satzes, den die Patientin so, wie ihn das Obergericht wiedergab, nie geschrieben hat, attestierte das Züricher Obergericht dem Arzt wahrscheinlich wiederum "aus Gründen", er habe zu Recht Anzeige gegen die Patientin erstattet. Jedenfalls gab es laut Obergericht, anders als laut Krayenbühl, keinen Anlass für den Arzt, sich akut bedroht zu fühlen, dass die Patientin mit einer Waffe am Arbeitsplatz des Arztes erscheinen könnte. Allenfalls habe sich ein Verdacht gerechtfertigt, es könnte eine Drohung vorliegen. Tatsächlich basiert diese Interpretation aber auf einem falschen Zitat.

So interessant dieser Fall auch wäre: Wie dieses Verfahren einer Patientin gegen einen in der Stadt Zürich praktizierenden Arzt im Detail ausging, muss an dieser Stelle erst mal dahin gestellt bleiben (laut Patientin seien in dieser Sache diverse Abklärungen und Verfahren noch hängig).

Auffällig erscheint das Verhalten von Staatsanwalt Guy Krayenbühl gegenüber der Geschädigten im Verfahren B-1/2022/10007385 besonders im Kontrast zu seinem Verhalten als GLP-Fraktionskollege von Sanija Ameti:
Denn würde man Guy Krayenbühls widersinnige «Logik», die er im Verfahren gegen einen Arzt gegenüber der Geschädigten an den Tag legte, um den angezeigten Arzt vor einer Strafuntersuchung zu bewahren, 1:1 auf die Situation seiner Fraktionskollegin Sanija Ameti übertragen, müsste er Ametis Auftritt auf Instagram ebenso hysterisch zu einer extrem schweren Drohung aufbauschen, die Menschen christlichen Glaubens die Tötung androht (einfach nur vermittels der Verwendung des betreffenden Bildes als Zielscheibe). Krayenbühl müsste mindestens analog zu seiner Fantasie im Verfahren B-1/2022/10007385 postulieren, dass Ameti jederzeit und überall mit einer Waffe auftauchen und eine Bedrohung für Menschen christlichen Glaubens darstellen könnte. Mindestens! Wie könnte er sich da nur hinter Ametis Verbleib in der GLP-Fraktion des Züricher Gemeinderats stellen?!

Immerhin, so völlig unterschiedlich die beiden Fälle sind, eine Parallele zwischen dem Fall Ameti und dem Fall der Patientin gegen den ehemaligen Arzt gibt es: die aggressive mediale Hetze gegen Sanija Ameti im Internet bauschte sich tatsächlich nur deshalb auf, weil Sanija Ameti eine Frau ist. Bei einem Mann wäre nicht viel gelaufen. Die Rechte der Patientin im anderen Fall wurden gleichsam nur deshalb von der Staatsanwaltschaft über den Haufen gefahren, weil sie eine Frau ist und sich als Frau in einem Email erdreistete, dem gesellschaflich anscheinend "höher" gestellten (männlichen) Arzt gegenüber bezüglich einiger Probleme in der Behandlung, insbesondere auch bezüglich seiner Inkompetenz Klartext zu schreiben ("er wird sich wohl mit seiner Inkompetenz konfrontiert gesehen haben", meint die Patientin gegenüber dem Zurich Observer). Die Gemeinsamkeit der Fälle kristallisiert als Ausfluss patriarchaler Kultur der Schweiz.

Ist sie das, greift sie hier, die männliche Schwanzsteuerung?

  1. Beim Insta-Auftritt seiner rund 30jährigen, attraktiven Fraktionskollegin Sanija Ameti kann keine Rede sein von Delikten, keine Rede von Rücktritt.

  2. Hingegen die Anzeige einer um 15 Jahre älteren und wirtschaftlich beiweitem nicht so gut wie Sanija Ameti gestellten Patientin gegen einen wiederum 30jährigen, finanziell ähnlich wie Ameti gestellten Arzt wischt GLP-Krayenbühl vom Tisch. Argument: das Fehlverhalten des Arztes rechtfertige sich durch eine vorangegangene angebliche schwere Drohung der Patientin; eine solche existiert allerdings schlicht nicht.

Wer derart mit zweierlei Mass misst wie Guy Krayenbühl, wie es gerade beliebt, ist weder als Staatsanwalt noch als Präsident des Gemeinderats („höchster Zürcher“) tragbar.

Wenn das nicht männliche Schwanzsteuerung spiegelt, was dann? Autoritäre Zürcher „Rechts“-Praxis, in der sich Entscheide nach Einkommen und Vermögen, Sozialprestige, berufliche Stellung, Physiognomik, „Vitamin B“ und potenzielle mediale Reichweite der Beteiligten etc. richtet statt objektiv, neutral und fair nur nach den Fakten des Falls? In der die Positionen der Beteiligten in der gesellschaftlichen Hierarchie entscheidend sind, nicht die Fakten? In der vielleicht sogar eugenische Prinzipien massgebend sind? Ist das vielleicht einfach „typisch Zürich“?

Zu guter Letzt: 
Das fragliche Email der Patientin an den Arzt und speziell auch der inkriminierte Satz (im Originalwortlaut, nicht in der vom Obergericht umformulierten Variante) wurde mit ChatGPT-4 der Firma OpenAI analysiert: Eine Drohung konnte die künstliche Intelligenz darin nicht erkennen.
Laut Patientin hätten ihr auch drei Rechtsanwälte, eine Psychologin und ein Psychiater bestätigt, dass sie keine Drohung in diesem Email erkennen; die Frage, ob sich wenigstens ein Verdacht auf eine Drohung rechtfertige, wie das Obergericht anhand eines falschen Zitats behauptete, habe sie mit der Psychologin erörtert, die dies ebenfalls verneinte.

Die Analyse vermittels ChatGPT-4, welche die Patientin mit der Beschwerde dem Obergericht eingereicht hatte, "würdigte" das Obergericht mit dem lapidaren Hinweis, dass diese "nicht relevant" sei. Und zu den Hinweisen der Geschädigten auf die Expertisen von Rechtsanwälten und Psychologen, die sich als Auskunftspersonen zum Email befragen liessen, äusserte sich der Entscheid des Obergerichts gar nicht.

Die betreffende Dreierbesetzung des Obergerichts setzte sich zusammen aus zwei Vertretern der rechts-populistischen SVP und einer Angehörigen der Mitte (ex christlich-konservative CVP).
Eine Konstellation SVP/SVP/CVP scheint nicht gerade für progressive Politik oder Engagement für Frauenrechte zu stehen, eher für die autoritären und patriarchalen Werte der Schweiz. Der beschuldigte Arzt ist sodann gebürtiger Schweizer (VS). Die Geschädigte hat Migrationshintergrund. Honni soit qui mal y pense: Nepotismus Schweizer Art?

Die alternative Erklärung für den Protektionismus, mit dem Staatsanwalt Guy Krayenbühl gefolgt von einem SVP/SVP/CVP-Dreiergremium des Züricher Obgerichts den beschuldigten Arzt vor einer Strafuntersuchung bewahrten?
Die doch auffällige Begünstigung des Arztes ergäbe genau dann noch Sinn, wenn er als Informant der Polizei arbeitete. Entscheidend wäre somit, ob es (weitere) Anzeichen gibt, dass er als Polizeispitzel arbeitet. Urteilen Sie selbst: Er ist bei der ARUD beschäftigt und behandelt hauptsächlich gesellschaftlich höher gestellte, selbstzahlende Patienten, darunter viele aus dem Kokain-Milieu. Da sitzt er tatsächlich an der Quelle für Informationen über den Drogenhandel, nach denen sich Polizei und Staatsanwaltschaften die Finger lecken dürften.
Die missbräuchliche (Gegen-)Anzeige des Arztes gegen die Patientin, welche dieser eine Hausdurchsuchung bescherte, macht sich für die ARUD grundsätzlich gar nicht gut. Alleine der Umstand, dass eine missbräuchliche Anzeige eines Arztes überhaupt zu einer Hausdurchsuchung bei einer Patientin führen konnte und Patient:innen im Kanton Zürich solchem Missbrauch schutzlos ausgesetzt sind, wäre ein Punkt, der eine tiefere Medienberichterstattung über diesen Fall nicht nur rechtfertigte, sondern zur Berichterstattung verpflichtet (wenn da nur nicht Patientengeheimnis und weitere schützenswürdige Interessen der Patientin wären, die eine Berichterstattung verkomplizieren).

Medien: 
Über ihren Fall und seine Entwicklung hat die im Bericht erwähnte Geschädigte den "Beobachter" seit 2021 auf dem Laufenden gehalten. Bis zur Publikation dieses Artikels durch den Zurich Observer sei ihr seitens "Beobachter"-Redaktion kein Interesse an einer Publikation zum Fall oder zu Teilen des Falls mitgeteilt worden.
Mit der politischen Frage nach der Tragbarkeit von Staatsanwalt Guy Krayenbühl als Staatsanwalt und als Gemeinderatspräsident der Stadt Zürich, die sich vor dem auseinandergesetzten starken Kontrast zwischen seinen Haltungen einerseits gegenüber seiner GLP-Fraktionskollegin Sanija Ameti und andererseits gegenüber der Geschädigten im erwähnten Fall von selbst stellt, entschied sich der Zurich Observer im November 2024 zu dieser Publikation.

Den Link zu diesem Artikel haben am Tag seiner Veröffentlichung, am 23. November 2024, die Schweizer Redaktionen "Blick", "Tagesanzeiger" und "Beobachter" per Email erhalten; von dieser Seite sind beim Zurich Observer keine Reaktionen eingegangen.

Politik:
Den Link zu diesem Artikel haben ebenfalls am 23.11. einige Fraktionspräsident:innen im Gemeinderat der Stadt Zürich (AL, Grüne, Mitte/EVP, FDP und SVP) sowie die Sekretariate einiger Gemeinderatsparteien (AL, Grüne, Mitte, EVP, FDP und SVP) per Email erhalten; von dieser Seite ist beim Zurich Observer keine offizielle Reaktion eingegangen.

Behörden:
Den Link zu diesem Artikel hat am 23.11. auch die Kanzlei der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich per Email erhalten. Von dieser Seite ist ebenso keine Reaktion eingegangen.

(15. Dezember 2024)

Olympische Spiele 2024: Klage wegen Cybermobbing. Ein Vergleich zur Schweiz.

Bei den Olympischen Spielen 2024 in Frankreich wurde die Algerische Boxerin Imane Khelif zur Zielscheibe des Mobs, der sie als Mann beschimpft. Beim Pariser Strafgerichtshof reichte sie Klage ein wegen Cybermobbings. Ein Vergleich zur Schweiz.

Klage wegen Cybermobbings einzureichen, erscheint hier nur logisch und konsequent. Gleichzeitig erinnert es fatal an die diesbezügliche Rechtslage in der Schweiz: in der Schweiz völlig unvorstellbar, dass eine als Mann beschimpfte Frau erfolgreich wegen (Cyber-)Mobbings oder Diskriminierung (oder wegen Beschimpfung) klagen könnte.
Das Schweizer Justizsystem tut sich unendlich schwer, gegen Cybermobbing vorzugehen. Es tut sich nur schon schwer, gegen klassisches Mobbing am Arbeitsplatz vorzugehen. Von Diskriminierung nicht zu sprechen. Und bei einer Klage, die Betitelung einer Frau als Mann als Beschimpfung auslegte, würden Schweizer Gerichte sich, in gewissem Sinn sadistisch, über die Klägerin höchstens lustig machen. Denn nichts von alledem ist im Schweizer Justizsystem wirklich beweisbar.

Die Schweiz kennt keine Gesetze gegen (Cyber-)Mobbing und Diskriminierung

Die Schweiz verfügt genauso wenig über ein spezialisiertes Anti-Mobbing-Gesetz wie über ein spezialisiertes Anti-Diskriminierungs-Gesetz. Aus der Schweizer Politik und von Schweizer Rechtsanwälten wird gerne darauf verwiesen, das Schweizer Strafgesetz sei ausreichend (sic), um Cybermobbing, Mobbing und Diskriminierung strafrechtlich zu verfolgen. So weit die Theorie.

Nur, wie ausreichend die Schweizer Gesetze in der Praxis eben nicht sind, erfährt die Gesellschaft nie. Denn es gibt in der Schweiz so gut wie keine Gerichtsberichterstattung mehr. Selbst wenn es eine solche gäbe: über Fälle, in denen keine Anklage erhoben wird (Strafanzeigen wegen Mobbing, Cybermobbing und Diskriminierung enden trotz anderslautender Behauptungen der Politik meist in „Nichtanhandnahmen“ oder Einstellung der Verfahren), würde ohnehin nicht berichtet.
Käme ein Mobbing- oder Diskriminierungs-Fall in der Schweiz überhaupt zur Anklage, ist zudem sehr unwahrscheinlich, dass Geschädigte eine Genugtuung für das erlittene Leid erhielten. Denn das Schweizer Rechtssystem anerkennt wirtschaftliche und gesundheitliche Schäden, die nicht so augenscheinlich, wie körperliche Schädigungen es nur sein könnten, als Folge einer Straftat erwiesen sind, grundsätzlich nicht. Schweizerische Bundesgerichtsurteile, die gesundheitliche Schäden die Anerkennung verweigern (und Geschädigte jeglicher Empathie entbehrend teils regelrecht verhöhnen), sind deshalb Legion.
Das „Kalkül“, das jeweils hinter bundesgerichtlich verweigerter Anerkennung gesundheitlicher Schäden steckt, blockiert in der Schweiz auch die strafrechtliche Verfolgung von (Cyber-)Mobbing und Diskriminierung. Es sind dies die oft zynischen Anforderungen an den Beweis einer Schädigung.

Diskriminierung: Schweizer Justiz mehr Teil des Problems als Teil der Lösung

Ein Problem bei (Cyber-)Mobbing- und Diskriminierungsklagen ist die gegenwärtig herrschende Willkür im Schweizerischen Strafrecht.* Will heissen: bei einer Klage einer Olympionikin wie Khelif und entsprechendem internationalen Interesse, würde die Schweizer Justiz wohl versuchen, den Anschein von Professionalität zu wahren. Aber in gewöhnlichen Fällen droht Geschädigten auf jeden Fall Nichtanhandnahme oder Einstellung ihrer Klagen. Denn nicht zuletzt ist die Schweizer Justiz, was Diskriminierung von Angehörigen bestimmter gesellschaftlicher Minderheiten angeht, mehr Teil des Problems als Teil der Lösung.


* Nicht vergessen: Willkür der Polizei und der Justiz ist ein Fokusthema dieses Blogs (wie auch die Willkür der Mainstream-Medien).

Freiheit und Sicherheit: EGMR-Urteil gegen die Schweiz

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat entschieden, dass die Taktik der Zürcher Polizei am 1. Mai 2011, etwa 500 Personen auf dem Helvetiaplatz in Zürich einzukesseln, die grundlegenden Rechte auf Freiheit und Sicherheit verletzt hat.

Zwei männliche Kläger, die während des Einkesselns festgehalten worden waren, hatten erfolglos gegen die Polizei vor Schweizer Gerichten geklagt. Der Erfolg ihrer Beschwerde beim EGMR gegen die hohe Vertragspartei Schweiz bestätigt nun die Unverhältnismäßigkeit des polizeilichen Vorgehens. Und leider bestätigt dieses EGMR-Urteil gegen die Schweiz auch einmal mehr die hoffnungslos rückständigen autoritär-patriarchalischen Ansichten, die immer noch die Schweizer Rechtspraxis prägen.

Zu diesem EGMR-Urteil gegen die Schweiz gibt es einen Bericht im Schweizer Fernsehen (staatlich, in deutscher Sprache).


Politische Verantwortung für die EMRK-Verletzung:

Im Jahr 2011 hatte Stadtrat Daniel Leupi von den Grünen die Leitung des Polizeidepartements inne und trug damit während des Vorfalls die exekutive Verantwortung. Seit 2013 leitet Daniel Leupi das Finanzdepartement der Stadt Zürich.
Im Jahr 2011 hatte Daniel Leupi, Grüne Partei, die Leitung des Polizeidepartements inne. Seit 2013 leitet Daniel Leupi das Finanzdepartement der Stadt Zürich. Bildquelle: www.stadt-zuerich.ch

Orwellscher NEUSPRECH der Zürcher Justizdirektion

Wenn Staatsanwälte Freispruch und Verurteilung verwechseln

Wie kreativ Schweizer Juristen sein können, zeigt nicht nur ihr Bankenrecht oder ihr Anwaltsgesetz, die internationaler Geldwäscherei und Steuerbetrug seit Jahrzehnten den roten Teppich ausrollen. Wie kreativ sie sind, beweist jüngst – Neusprech der Zürcher Justizdirektion.

Laut interner Kommunikation der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl sei ein „Urteil gegen A.B.“ (Name der Redaktion bekannt) ergangen. Gegen?

Tatsächlich behauptete Staatsanwältin Daniela Senn (MLaw) 2023 in einer Verfügung, A.B. habe einer Anzeige als Beweismittel „ein gegen sie ergangenes Urteil“ beigelegt. Pikant an Senns Formulierung ist, dass das Urteil, das A.B. der Anzeige beilegte, A.B. von der Anklage vollumfänglich freigesprochen hatte. Und zwar nicht in dubio pro reo. Das Gericht hatte die eindeutig rechtfertigenden Gründe für die A.B. angelasteten Handlungen gutgeheissen. Die Staatsanwaltschaft Limattal/Albis, welche gegen A.B. Anklage erhoben hatte, hatte auf Weiterzug des Verfahrens verzichtet. Ebenso verzichtete die Privatklägerschaft, das Urteil weiterzuziehen.

Im Jahr 2023 liegt jenes gegen A.B. geführte Verfahren über 10 Jahre zurück: Der Freispruch zugunsten A.B. ist im Jahr 2023 seit über 10 Jahren rechtskräftig. Für eine Strafanzeige als Beweismittel relevant wird dieses Urteil im Jahr 2023, als A.B erfährt, dass eine Person in Schrift tatsachenwidrig behauptete, A.B. sei damals verurteilt worden.

Staatsanwältin Daniela Senn, bei der A.B.’s darauf erfolgte Anzeige wegen Diffamierung (Verleumdung) gegen den Urheber der tatsachenwidrigen Behauptung gelandet war, reagierte für A.B. völlig unverständlich mit einer Nichtanhandnahmeverfügung. Primär begründete Senn diesen Entscheid damit, die Diffamierung sei verjährt: Denn das Schriftstück, das die – offenbar mutwillig tatsachenwidrig aufgestellte – Behauptung enthält, A.B. sei 2010 rechtskräftig verurteilt worden, wäre anscheinend schon 2017 verfaßt worden (in der Schweiz verjähren Diffamierungsdelikte 4 Jahre nach dem Tag der Begehung, das vorliegende also 2021). Verjährt wäre die Diffamierung nach Schweizer Recht auch ungeachtet des Umstands, dass A.B. erst 2023 von diesem anscheinend 2017 verfassten verleumderischen Schriftstück Kenntnis erlangte, nachdem dieses nachweislich 2022 in Verkehr gebracht worden war.

Staatsanwältin verwechselt Freispruch mit Schuldspruch

Was A.B. noch weniger verstand: Die Staatsanwältin behauptet in der Verfügung irreführend, als Beweismittel habe A.B. „ein gegen sie ergangenes Urteil“ eingereicht. Gemeint wäre damit eigentlich das Urteil mit dem Freispruch zugunsten von A.B., auch wenn Senns Formulierung ein Urteil mit einem Schuldspruch bezeichnete. Doch als Beweismittel hatte A.B. das Urteil gerade deshalb eingereicht, weil das Verfahren mit einem Freispruch zu ihren Gunsten ausgegangen war. Damit sollte die Unrichtigkeit der 2017 schriftlich gemachten tatsachenwidrigen Behauptung, A.B. sei verurteilt worden, bzw. damit diese als Verleumdung belegt werden.

Gegen die Verfügung der Staatsanwältin, keine Strafuntersuchung wegen Diffamierung zu eröffnen, reichte A.B. übrigens Beschwerde ein. Argument: Die Tat ist erst 2022 mit dem Inverkehrbringen der verleumderischen Schrift vollendet, die Frist der Verfolgungsverjährung beginne am Tag des Inverkehrbringens im Jahr 2022 zu laufen. Nach Schweizer Recht ist Diffamierung jedoch „ein Zustandsdelikt, kein Dauerdelikt“, wie das Zürcher Obergericht A.B. beschied und damit die Verjährung 2021 bestätigte.

Orwellscher NEUSPRECH der Zürcher Justizdirektion

Betreffend die irreführende Behauptung, sie habe ein gegen sie ergangenes Urteil als Beweismittel eingereicht, reichte A.B. separat bei der Oberstaatsanwaltschaft eine Aufsichtsbeschwerde ein: A.B. verlangte eine Erklärung, weshalb Staatsanwältin Daniela Senn gerade bezüglich des Punktes, um den es mit der Anzeige wegen Diffamierung ja überhaupt geht, diesen Fehler macht. In ihrer Nichtanhandnahmeverfügung verwechselt die Staatsanwältin Schuldspruch mit einem Freispruch eines Urteils, das als Beweismittel ja gerade die Tatsachenwidrigkeit der Behauptung, A.B. sei verurteilt worden, nachweisen soll. Im zentralsten Punkt des Verfahrens macht Daniela Senn diesen Fehler. Schlendrian? Absicht? Provokation?

Die Justizdirektion Zürich übt sich in Neusprech.

Ob es Schlendrian war oder Absicht, kann die Züricher Oberstaatsanwaltschaft nicht sagen. Sie delegiert die Stellungnahme an den Vorgesetzten von Daniela Senn ab, an den leitenden Staatsanwalt Daniel Kloiber (lic. iur.). Dieser macht es sich einfach: In seiner Antwort auf A.B.’s Beschwerde argumentiert er windig, die Aussage, ein Urteil sei „gegen“ eine Person ergangen, enthalte keine Aussage dazu, ob ein Freispruch oder eine Verurteilung vorliegt (sic). Per Definition ist es orwellscher NEUSPRECH, was Kloiber abliefert.

ChatGPT von OpenAI klärt auf – Zürcher Behörde weicht aus

A.B. analysierte die vorliegende Problematik vermittels des Sprachmodells GPT-4 von OpenAI (die Konversation ist öffentlich einsehbar: Link anklicken). Das Sprachmodell beurteilte das Sprachverständnis von Daniel Kloiber als „unüblich“: Die Aussage, ein „gegen“ eine Person ergangenes Urteil bedeute nicht, es liege eine Verurteilung vor, sei „irreführend“ und gerade im juristischen Kontext „problematisch“.
A.B. konfrontierte die „Direktion des Inneren und der Justiz des Kantons Zürich“, die den Züricher Staatsanwaltschaften vorgesetzte Aufsichtsbehörde, mit diesem Befund. Die lapidare Antwort des Sachbearbeiters der Justizdirektion, Tassio Suter (MLaw), beschränkte sich auf ein: „Aus unserer Sicht ist dem Schreiben von lic. iur. Daniel Kloiber nichts mehr hinzuzufügen“. Auf die Einschätzung der Antwort Daniel Kloibers durch ChatGPT-4 als „unüblich“, „irreführend“ und „problematisch“ oder überhaupt auf die Verwechslung des Freispruchs mit einem Schuldspruch ging der Vertreter der Zürcher Justizdirektion mit keinem Wort ein. Diesen Fragestellungen wich er mit seiner lapidaren Antwort geflissentlich aus.

Staatsanwaltschaft für besondere Untersuchungen bezieht Stellung

Wenigstens die Staatsanwaltschaft für besondere Untersuchungen räumte schliesslich in einer schriftlichen Stellungnahme ein, es handle sich um „eine unglückliche Formulierung“ der Staatsanwältin Daniela Senn. Amtsmissbrauch durch Daniela Senn, den A.B. vorgängig mit einem Verdacht zur Anzeige gebracht hatte, verneinte die Staatsanwaltschaft für besondere Untersuchungen hingegen. Aus den Akten gehe hinreichend hervor, dass das von A.B. als Beweismittel eingereichte Urteil, wie von A.B. geltend gemacht, tatsächlich einen Freispruch zugunsten von A.B. enthält.

Das bedeutet, dass Daniela Senn zumindest das schriftliche Urteil nicht gefälscht hat, um ihre kleine Datenfälschung in der Nichtanhandnahmeverfügung zu decken. Ihre Verfügung behauptete fälschlicherweise, dass ein Urteil „gegen“ A.B. ergangen sei. Durch diese Fälschung entsteht der absurde Eindruck, dass A.B. irrational oder gar verrückt sein muss. Denn sie suggeriert, A.B. habe ein Urteil gegen sich selbst als Beweis dafür eingereicht, dass die Aussage über ihre Verurteilung falsch und verleumderisch sei. Diese Darstellung untergräbt nicht nur die Glaubwürdigkeit von A.B., sondern zeichnet das Bild einer irrational handelnden Person und schädigt A.B.s Ruf weiter, indem sie eine geistige Instabilität impliziert. Diese Verzerrung der Fakten diskreditiert A.B. nicht nur, sondern stellt auch eine Form von institutionellem Mobbing dar. Indem Senn A.B. als irrational oder geistig labil darstellt, verzerrt sie die Realität auf eine Weise, die A.B. erniedrigt und untergräbt, was den persönlichen und rufschädigenden Schaden noch verstärkt. Nachdem die Staatsanwaltschaft für besondere Untersuchungen die Angelegenheit klargestellt hatte, zog A.B. jedoch die parallel zur Aufsichtsbeschwerde eingereichte Strafanzeige gegen Daniela Senn zurück.

Kommentar:

Wenn Aufsichtsbeschwerden bei Oberstaatsanwaltschaft und Justizdirektion wie vorliegend im Kanton Zürich ins Leere stossen, ist das ein Anzeichen, dass die demokratische Kontrolle der Behörden in der Schweiz nicht funktioniert. Doch wenigstens die Staatsanwaltschaft II, Abteilung für besondere Untersuchungen, erwies sich als seriös.
Übrig bleibt, Qualität bzw. Schlendrian, der Zürcher Staatsanwaltschaften zu beherrschen scheint, zu diskutieren. Zu diskutieren bliebe auch die Arroganz gewisser Beamter und Staatsanwälte (Daniela Senn, Daniel Kloiber, Tassimo Suter). Und auch institutionelles Mobbing und die Mobber dürften endlich mal zur Sprache kommen. Übrig bliebe zuletzt eine – rhetorische – Diskussion, ob es in einer Demokratie Raum für NEUSPRECH gibt. Unserer Meinung nach ganz klar NEIN.

Update 12. November 2023:
A.B. wandte sich am 11. Oktober 2023 per Email an die Ombudsstelle des Kantons Zürich. Sie schickte den Link zu diesem Artikel und fragte bezüglich ihres oben geschilderten Erlebisses mit der Justizdirektion: "Wie sieht die Ombudsstelle des Kantons das Vorgehen im Kanton Zürich gegen fehlbare Staatsanwaltschaften und Staatsanwält:innen, wenn Aufsichtsbeschwerden offenbar nicht mehr ernst genommen und behandelt werden?" Am 12. November 2023 teilte A.B. dem Zurich Observer mit, sie habe keine Antwort der Ombudsstelle erhalten. Ombudsmann des Kantons Zürich ist Jürg Trachsel, Rechtsanwalt und Mitglied der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei.

Update 29. November 2024:
Staatsanwältin Daniela Senn hat im Jahr 2024 von der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl zur Staatsanwaltschaft II, Abteilung Organisierte Kriminalität, gewechselt. Ihre Mobbing-Fähigkeiten sind dort sicherlich zielführender eingesetzt als in einer allgemeinen Staatsanwaltschaft.
Zu bedenken ist, dass es sich bei dieser Umplatzierung auch um einen taktischen Schachzug der Oberstaatsanwaltschaft in eigener Sache handeln könnte: Wer auch immer Staatsanwältin Daniela Senn seit ihrem Wechsel öffentlich kritisierte, geriete aufgrund ihrer neuen Zuständigkeit für Organisierte Kriminalität unweigerlich mit in deren Dunstkreis. Ein etwas unvorteilhafter Hintergrund, der die Hemmschwelle, Daniela Senn öffentlich zu kritisieren, natürlich etwas erhöht (erwartet die Oberstaatsanwaltschaft vielleicht weitere öffentliche Reklamationen betreffend Daniela Senn?). Es ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass sich die Neusprech-Affäre im Jahr 2023 zutrug, als Daniela Senn noch für die allgemeine Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl tätig war.

Politische Verantwortung für die Neusprech-Affäre der Zürcher Staatsanwaltschaften:

Seit 2015 leitet die Sozialdemokratin Jacqueline Fehr die Zürcher Direktion der Justiz und des Innern (Bildquelle: Kanton Zürich). 

Schweiz: Staatsanwaltschaften mit hoher Fehlerquote

Das Schweizerische „Beobachter“-Magazin berichtete 2022, dass seit Einführung der neuen Schweizerischen Strafprozessordnung per 1. Januar 2011 neu rund 90% aller Strafverfahren der Schweiz ohne Gerichtsverfahren durch Strafbefehle erledigt werden. 2023 verlieh der Beobachter den Preis für den „schludrigsten Strafbefehl des Jahres“ an die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis.

Der Beobachter berichtete über etliche Probleme, die aus der neuen Schweizer Strafprozessordnung resultierten. Rund 20% der Strafbefehle würden wieder aufgehoben. Am 7. März 2022 titelte der Beobachter: „Wir suchen den Fehlbefehl des Jahres 2022 – machen Sie mit!“

Auf einen Blick ist klar, in welche Richtung Strafverfahren, die neu nur noch von Staatsanwaltschaften ohne gerichtliche Beurteilung geführt werden, gehen müssen.

Staatsanwaltschaften: Viel Lärm um nichts.

Deshalb erstaunt der Aufschrei des Beobachters, rund 11 Jahre nach Einführung der neuen Strafprozessordnung, nicht: Die inhärente Problematik dieses Strafbefehls-Systems wäre von Anfang an absehbar gewesen.

Der schludrigste Strafbefehl des Jahres

Im Januar 2023 kürte der Beobachter den „schludrigsten Strafbefehl“ des Jahres 2022. Eine vom Beobachter zusammengesetzte Jury aus drei Fachpersonen kam zum Schluss, dass die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis des Kantons Zürich dieses Negativpreises würdig wäre, und zwar wegen eines Falls, über den der Beobachter am 1. April 2022 berichtete: „Zwei Tage in Haft, weil Staatsanwaltschaft schlampte“.

Der Idee zu diesem Preis liegt die Geschichte eines Mannes, der 75 Tage in Haft sass, ohne zu wissen warum, zugrunde: „Die grosse Macht der Staatsanwälte“.

Beim Versuch, dem Leiter dieser Staatsanwaltschaft den Preis persönlich zu überreichen, scheiterte der Beobachter jedoch. Im Bericht vom 26. Januar 2023, „Der Beobachter kürt den schludrigsten Strafbefehl des Jahres“, hielt Lukas Lippert fest: „Der Empfang war so frostig wie der Tag. Die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis in Dietikon ZH weigerte sich am 26. Januar, den Negativpreis für den Fehlbefehl des Jahres entgegenzunehmen. Beobachter-Chefredaktor Dominique Strebel konnte den Pokal nicht persönlich übergeben.“

Es ist bedauerlich, dass der Beobachter inzwischen das fast einzige redaktionelle Medium der Schweiz ist, welches Polizei und Justiz noch kritisch auf die Finger sieht. Mit Ausnahme allenfalls noch des staatlichen Schweizer Fernsehens sehen alle anderen Schweizer Medien heute bequem weg. Die Mainstream-Journos der grossen Verlagshäuser picken sich die Rosinen aus dem Kuchen des Weltgeschehens. Die journalistische Knochenarbeit im umquemen Umfeld von Machtmissbräuchen der Staatsgewalt, der Polizei und der Justiz, überlassen sie geflissentlich – wem auch immer.

Mit der Strafbefehls-Problematik der Staatsanwaltschaften befasst sich nun im Schweizer Kanton Zürich noch wenigstens auch die Justizkommission des Kantonsrats. Ob das genügt?