Sanija Ameti: Wo GLP-Ratspräsident Guy Krayenbühl mit zweierlei Mass misst

Der Ausfluss der patriarchalen Kultur der Schweiz. Und Nepotismus Schweizer Art? Wenn sich Interessen der Politik mit den Interessen der Justiz vermischen.

Eine Studie der Hochschule St. Gallen (HSG) stellte fest, dass Staatsanwälte im Kanton Zürich gleiche Delikte bei Frauen und Männern unterschiedlich bewerten. Gleiche Delikte führen bei männlichen Beschuldigten häufiger als bei Frauen zur Anklage. Staatsanwälte messen mit zweierlei Mass und drücken Frauen gegenüber auch mal zwei Augen zu?

Vulgär gesprochen würde sich hier die „Schwanzsteuerung des Mannes“ bemerkbar machen? Oder ist das einfach alltäglicher Sexismus der Schweizer?

Angesichts so zahlreicher gesellschaftlicher Ungleichheiten zwischen Mann und Frau wäre es sicher kein Drama, wenn Frauen im Gegenzug gegenüber Männern andernorts auch einmal bevorteilt werden.
Nun macht sich eine Bevorteilung von Frauen im Bereich der Justiz besonders schlecht. Denn sie spiegelt Willkür. Gleichbehandlung durch die Justiz ist eine unantastbare, verbindliche Vorgabe der Bundesverfassung, der Menschenrechtserklärung und anderer internationaler Vereinbarungen der Schweiz.

Heute wieder aktuell erscheint das Thema der Ungleichbehandlung durch die Staatsanwaltschaften in Zusammenhang mit dem Züricher Staatsanwalt Guy Krayenbühl.

Vorweg: Neben seiner Tätigkeit als Staatsanwalt ist Guy Krayenbühl prominent in der Züricher Politik aktiv:

  • seit Jahren amtet er als Gemeinderat der Stadt Zürich (Grünliberale),
  • bis 2023 war er Hahn im Korb (einziger Mann) im Vorstand des Vereins Spitex (spitalexterne Pflege) der Stadt Zürich
  • 2024 übernahm er das Präsidium des Züricher Gemeinderats

Sanija Ameti als GLP-Fraktionskollegin von Gemeinderatspräsident Guy Krayenbühl

Der Kontext des Züricher Gemeinderats (insbesondere der Kontext der GLP-Fraktion) bildet den Hintergrund, vor dem nun Guy Krayenbühl als Staatsanwalt unvorteilhaft in den Dunstkreist einer Kontroverse geraten könnte. Insbesondere geht es um die von Schweizer Medien im September 2024 breit getretenen Vorgänge innerhalb der GLP-Fraktion des Züricher Gemeinderats betreffend deren Mitglied Sanija Ameti:

Blick brachte den Stein ins Rollen
  1. Nach einem unvorteilhaften Medienwirbel um ihre Selbstdarstellung auf Instagram hatte sich im Internet ein Shitstorm gegen die Züricher GLP-Politikerin und Schweizer „Operation Libero“-Grösse Sanija Ameti erhoben. Ameti hatte eine Collage von Fotos von sich beim Schiessen mit einer Luftpistole im Keller ihres Wohnhauses gepostet. Als Zielscheibe zeigte die Collage ein zerschossenes Jesusbild (Maria mit Kind). Auf den Shitstorm, den dieses Instagram-Post erntete, reagierte ihre Partei auf nationaler Ebene zunächst mit einem Ausschlussverfahren (vermutlich wegen parteischädigenden Verhaltens; zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags ist dieses Ausschlussverfahren der GLP hängig).

  2. Darauf trat Sameti als Vorstandsmitglied der Züricher GLP-Kantonalpartei zurück. Als gewählte Vertreterin der Züricher Stadtkreise Langstrasse und Gewerbeschule verblieb sie aber im Stadtparlament. Sie ist damit nach wie vor – Fraktionskollegin von Staatsanwalt und Gemeinderatspräsident Guy Krayenbühl. Dieser war nur wenige Monate vor dem Eklat um Ameti zum ersten GLP-Gemeinderatspräsidenten von Zürich gewählt worden.

  3. Die Medien berichteten, dass sich die Züricher Gemeinderatsfraktion der GLP geschlossen hinter Sanija Ameti und ihren Verbleib im Gemeinderat stellte. Von ganz besonderem Interesse wäre, was Ratspräsident Guy Krayenbühl als Staatsanwalt zu ihrem Auftritt auf Instagram und den darauf gefolgten Shitstorm dachte:

    Die Züricher Medien hatten ausgiebig über Krayenbühls Antritt als Ratspräsident berichtet. „Er ist Jurist, Arztsohn, in der Zürcher Altstadt aufgewachsen, gesellig und kultiviert – aber kein Freisinniger“, schwärmte etwa die Neue Zürcher Zeitung. Grosszügig gewährten sie ihm Raum zur Selbstdarstellung etwa als „Hedonist“, wie er sich gegenüber „Tsüri“ selber bezeichnete. Sie lassen ihn einladend vom hedonistischen Lifestyle in Zürich erzählen (der Rest ergibt sich von selbst). Die Züricher Medien beschrieben seinen beruflichen Hintergrund und Werdegang. Auch zitierten sie seine Vorstellungen von der Amtsführung des Ratspräsidenten: Für ihn habe Tonalität oberste Priorität.
    Nur kritische Fragen zur Vereinbarkeit einer Tätigkeit als Staatsanwalt mit einer gleichzeitigen Tätigkeit als Gemeindeparlamentarier (und der Kumulation weiterer öffentlicher Ämter) stellten sie nicht. Die Züricher Legacy-Medien schwärmen unisono unkritisch von ihrem Staatsanwalt Krayenbühl wie etwa Staatsmedien einer DDR oder Nordkoreas von ihren Parteigrössen schwärmen würden. Dass sich die Interessen der Justiz bei Krayenbühl mit Interessen der Politik vermischen (könnten), fand hingegen nicht eine Zeitung fragwürdig; und selbstverständlich auch keine einzige Frage zur Missachtung der Menschenrechte des unter dem Namen „Carlos“ bekannten Häftlings, mit der die Züricher Justiz international Aufsehen erregte.

    Zum Eklat um Fraktionskollegin Sanija Ameti liessen ihn die Züricher Medien bis heute auch nicht vernehmen: Er schweigt. Oder die Medien lassen ihn schweigen. Wir wissen aus den Medien nur, dass sich die GLP-Fraktion des Züricher Gemeinderats mit einer Erklärung hinter Sanija Ameti und ihren Verbleib im Gemeinderat stellte.

Darf es die Züricher Wähler:innen interessieren, was „ihr“ GLP-Gemeinderatspräsident und Staatsanwalt Guy Krayenbühl über den Eklat um den Instagram-Ausrutscher seiner Fraktionskollegin denkt?

Sanija Ameti: Wo Staatsanwalt Guy Krayenbühl mit zweierlei Mass misst

Wir vom Zurich Observer wissen, wie Guy Krayenbühl als Staatsanwalt tickt, wie er noch im Jahr 2023 gegen eine Geschädigte hetzte,die einen in der Stadt Zürich praktizierenden Arzt wegen medizinischer Fehlbehandlung und diverser weiterer Delikte, unter anderem anscheinend auch sexuelle Gewalt, bei der Staatsanwaltschat Zürich-Limmat angezeigt hatte (Verfahren Nr. B-1/2022/10007385 etc.):

  1. Guy Krayenbühl versenkte die Anzeige der Patientin gegen ihren ehemaligen Arzt, die ihm zugeteilt worden war. Dazu argumentierte Krayenbühl mit dem Argument, die Geschädigte habe sich gegenüber dem Arzt auf eine Weise geäussert, die dieser zu Recht als schwere Drohung verstanden habe. Damit, dass der Arzt sich bedroht gefühlt habe, rechtfertigte Guy Krayenbühl pauschal alle Rechtsverletzungen des Arztes zum Nachteil der Patientin, selbst jene, die offensichtlich keinen Konnex zu einer allfälligen Drohung aufwiesen.

  2. Konkret behauptete Guy Krayenbühl zur Rechtfertigung seiner Nichtanhandnahme der Anzeige gegen den Arzt wörtlich, der Arzt habe „zu Recht damit gerechnet“, dass die Geschädigte „mit einer Waffe an seinem Arbeitsplatz erscheinen“ könnte.
    Notabene: Implizit rechtfertigte Guy Krayenbühl mit dieser Beurteilung jede physische Gewalt, die zur Abwehr eines Angriffs mit einer Waffe gerechtfertigt wäre. Laut Guy Krayenbühls Urteil wäre allenfalls nur schon bei Betreten der betreffenden Arztpraxis gegen die Geschädigte verübte physische Gewalt legitim gewesen, und zwar selbst tödliche Gewalt (wegen der angeblich rechtmässigen Annahme eines Angriffs mit einer Waffe, die Staatsanwalt Krayenbühl in der Nichtanhandnahmeverfügung lässig postulierte).

  3. Wie unverhältnismässig Guy Krayenbühls Auslegung eines aus dem Kontext gerissenen Satzes aus einem Email der Patientin an ihren Arzt (mit CC an eine Vertrauensperson der Patientin) ist, war nicht der Punkt in ihrer Beschwerde an das Züricher Obergericht, die auf Guy Krayenbühls Nichtanhandnahmeverfügung folgte. Denn die Patientin bestritt schon im Grundsatz jede Absicht zu einer Drohung. Insbesondere aber bestritt sie auch im Grundsatz die Möglichkeit überhaupt, dass ihr Email oder darin enthaltene Äusserungen irgendwie als Drohung interpretiert werden könnten. Mit anderen Worten: der angezeigte Arzt habe da «aus Gründen» etwas zusammen gesponnen, und Guy Krayenbühl habe in seiner Funktion als Staatsanwalt ebenso «aus Gründen» unbotmässig für diesen Arzt Partei ergriffen.
    Das Züricher Obergericht trat, aus ebenfalls nicht transparent deklarierten Gründen, faktisch auf ihre Beschwerde nicht ein. Doch es relativierte Guy Krayenbühls Ausfall immerhin etwas: Der Arzt habe zu Recht Verdacht geschöpft, dass eine Drohung vorliegen könnte (Anfangsverdacht), was seine Anzeige gegen die Patientin rechtfertige.

Züricher Staatsanwaltschaften: Männersolidarität, Männlicher Powerplay

Notabene begründete das Züricher Obergericht die Ansicht, der Arzt habe zu Recht Verdacht geschöpft, es könnte eine Drohung vorliegen, mit einem falschen Zitat.

Der vom Arzt und der Staatsanwaltschaft völlig aus dem Kontext gerissene und isolierte Satz musste auch noch umformuliert werden, um darin sprachlogisch überhaupt die Möglichkeit einer Drohung zu schaffen: um dem Arzt wenigstens zu attestieren, einen Verdacht auf eine Drohung habe er zu Recht geschöpft, hat das Obergericht den inkriminierten Satz erst umformuliert, da der Originalwortlaut im Email der Patientin nicht einmal die Möglichkeit einer Drohung sprachlogisch zulässt; anhand dieses umformulierten Satzes, den die Patientin so, wie ihn das Obergericht wiedergab, nie geschrieben hat, attestierte das Züricher Obergericht dem Arzt wahrscheinlich wiederum "aus Gründen", er habe zu Recht Anzeige gegen die Patientin erstattet. Jedenfalls gab es laut Obergericht, anders als laut Krayenbühl, keinen Anlass für den Arzt, sich akut bedroht zu fühlen, dass die Patientin mit einer Waffe am Arbeitsplatz des Arztes erscheinen könnte. Allenfalls habe sich ein Verdacht gerechtfertigt, es könnte eine Drohung vorliegen. Tatsächlich basiert diese Interpretation aber auf einem falschen Zitat.

So interessant dieser Fall auch wäre: Wie dieses Verfahren einer Patientin gegen einen in der Stadt Zürich praktizierenden Arzt im Detail ausging, muss an dieser Stelle erst mal dahin gestellt bleiben (laut Patientin seien in dieser Sache diverse Abklärungen und Verfahren noch hängig).

Auffällig erscheint das Verhalten von Staatsanwalt Guy Krayenbühl gegenüber der Geschädigten im Verfahren B-1/2022/10007385 besonders im Kontrast zu seinem Verhalten als GLP-Fraktionskollege von Sanija Ameti:
Denn würde man Guy Krayenbühls widersinnige «Logik», die er im Verfahren gegen einen Arzt gegenüber der Geschädigten an den Tag legte, um den angezeigten Arzt vor einer Strafuntersuchung zu bewahren, 1:1 auf die Situation seiner Fraktionskollegin Sanija Ameti übertragen, müsste er Ametis Auftritt auf Instagram ebenso hysterisch zu einer extrem schweren Drohung aufbauschen, die Menschen christlichen Glaubens die Tötung androht (einfach nur vermittels der Verwendung des betreffenden Bildes als Zielscheibe). Krayenbühl müsste mindestens analog zu seiner Fantasie im Verfahren B-1/2022/10007385 postulieren, dass Ameti jederzeit und überall mit einer Waffe auftauchen und eine Bedrohung für Menschen christlichen Glaubens darstellen könnte. Mindestens! Wie könnte er sich da nur hinter Ametis Verbleib in der GLP-Fraktion des Züricher Gemeinderats stellen?!

Immerhin, so völlig unterschiedlich die beiden Fälle sind, eine Parallele zwischen dem Fall Ameti und dem Fall der Patientin gegen den ehemaligen Arzt gibt es: die aggressive mediale Hetze gegen Sanija Ameti im Internet bauschte sich tatsächlich nur deshalb auf, weil Sanija Ameti eine Frau ist. Bei einem Mann wäre nicht viel gelaufen. Die Rechte der Patientin im anderen Fall wurden gleichsam nur deshalb von der Staatsanwaltschaft über den Haufen gefahren, weil sie eine Frau ist und sich als Frau in einem Email erdreistete, dem gesellschaflich anscheinend "höher" gestellten (männlichen) Arzt gegenüber bezüglich einiger Probleme in der Behandlung, insbesondere auch bezüglich seiner Inkompetenz Klartext zu schreiben ("er wird sich wohl mit seiner Inkompetenz konfrontiert gesehen haben", meint die Patientin gegenüber dem Zurich Observer). Die Gemeinsamkeit der Fälle kristallisiert als Ausfluss patriarchaler Kultur der Schweiz.

Ist sie das, greift sie hier, die männliche Schwanzsteuerung?

  1. Beim Insta-Auftritt seiner rund 30jährigen, attraktiven Fraktionskollegin Sanija Ameti kann keine Rede sein von Delikten, keine Rede von Rücktritt.

  2. Hingegen die Anzeige einer um 15 Jahre älteren und wirtschaftlich beiweitem nicht so gut wie Sanija Ameti gestellten Patientin gegen einen wiederum 30jährigen, finanziell ähnlich wie Ameti gestellten Arzt wischt GLP-Krayenbühl vom Tisch. Argument: das Fehlverhalten des Arztes rechtfertige sich durch eine vorangegangene angebliche schwere Drohung der Patientin; eine solche existiert allerdings schlicht nicht.

Wer derart mit zweierlei Mass misst wie Guy Krayenbühl, wie es gerade beliebt, ist weder als Staatsanwalt noch als Präsident des Gemeinderats („höchster Zürcher“) tragbar.

Wenn das nicht männliche Schwanzsteuerung spiegelt, was dann? Autoritäre Zürcher „Rechts“-Praxis, in der sich Entscheide nach Einkommen und Vermögen, Sozialprestige, berufliche Stellung, Physiognomik, „Vitamin B“ und potenzielle mediale Reichweite der Beteiligten etc. richtet statt objektiv, neutral und fair nur nach den Fakten des Falls? In der die Positionen der Beteiligten in der gesellschaftlichen Hierarchie entscheidend sind, nicht die Fakten? In der vielleicht sogar eugenische Prinzipien massgebend sind? Ist das vielleicht einfach „typisch Zürich“?

Zu guter Letzt: 
Das fragliche Email der Patientin an den Arzt und speziell auch der inkriminierte Satz (im Originalwortlaut, nicht in der vom Obergericht umformulierten Variante) wurde mit ChatGPT-4 der Firma OpenAI analysiert: Eine Drohung konnte die künstliche Intelligenz darin nicht erkennen.
Laut Patientin hätten ihr auch drei Rechtsanwälte, eine Psychologin und ein Psychiater bestätigt, dass sie keine Drohung in diesem Email erkennen; die Frage, ob sich wenigstens ein Verdacht auf eine Drohung rechtfertige, wie das Obergericht anhand eines falschen Zitats behauptete, habe sie mit der Psychologin erörtert, die dies ebenfalls verneinte.

Die Analyse vermittels ChatGPT-4, welche die Patientin mit der Beschwerde dem Obergericht eingereicht hatte, "würdigte" das Obergericht mit dem lapidaren Hinweis, dass diese "nicht relevant" sei. Und zu den Hinweisen der Geschädigten auf die Expertisen von Rechtsanwälten und Psychologen, die sich als Auskunftspersonen zum Email befragen liessen, äusserte sich der Entscheid des Obergerichts gar nicht.

Die betreffende Dreierbesetzung des Obergerichts setzte sich zusammen aus zwei Vertretern der rechts-populistischen SVP und einer Angehörigen der Mitte (ex christlich-konservative CVP).
Eine Konstellation SVP/SVP/CVP scheint nicht gerade für progressive Politik oder Engagement für Frauenrechte zu stehen, eher für die autoritären und patriarchalen Werte der Schweiz. Der beschuldigte Arzt ist sodann gebürtiger Schweizer (VS). Die Geschädigte hat Migrationshintergrund. Honni soit qui mal y pense: Nepotismus Schweizer Art?

Die alternative Erklärung für den Protektionismus, mit dem Staatsanwalt Guy Krayenbühl gefolgt von einem SVP/SVP/CVP-Dreiergremium des Züricher Obgerichts den beschuldigten Arzt vor einer Strafuntersuchung bewahrten?
Die doch auffällige Begünstigung des Arztes ergäbe genau dann noch Sinn, wenn er als Informant der Polizei arbeitete. Entscheidend wäre somit, ob es (weitere) Anzeichen gibt, dass er als Polizeispitzel arbeitet. Urteilen Sie selbst: Er ist bei der ARUD beschäftigt und behandelt hauptsächlich gesellschaftlich höher gestellte, selbstzahlende Patienten, darunter viele aus dem Kokain-Milieu. Da sitzt er tatsächlich an der Quelle für Informationen über den Drogenhandel, nach denen sich Polizei und Staatsanwaltschaften die Finger lecken dürften.
Die missbräuchliche (Gegen-)Anzeige des Arztes gegen die Patientin, welche dieser eine Hausdurchsuchung bescherte, macht sich für die ARUD grundsätzlich gar nicht gut. Alleine der Umstand, dass eine missbräuchliche Anzeige eines Arztes überhaupt zu einer Hausdurchsuchung bei einer Patientin führen konnte und Patient:innen im Kanton Zürich solchem Missbrauch schutzlos ausgesetzt sind, wäre ein Punkt, der eine tiefere Medienberichterstattung über diesen Fall nicht nur rechtfertigte, sondern zur Berichterstattung verpflichtet (wenn da nur nicht Patientengeheimnis und weitere schützenswürdige Interessen der Patientin wären, die eine Berichterstattung verkomplizieren).

Medien: 
Über ihren Fall und seine Entwicklung hat die im Bericht erwähnte Geschädigte den "Beobachter" seit 2021 auf dem Laufenden gehalten. Bis zur Publikation dieses Artikels durch den Zurich Observer sei ihr seitens "Beobachter"-Redaktion kein Interesse an einer Publikation zum Fall oder zu Teilen des Falls mitgeteilt worden.
Mit der politischen Frage nach der Tragbarkeit von Staatsanwalt Guy Krayenbühl als Staatsanwalt und als Gemeinderatspräsident der Stadt Zürich, die sich vor dem auseinandergesetzten starken Kontrast zwischen seinen Haltungen einerseits gegenüber seiner GLP-Fraktionskollegin Sanija Ameti und andererseits gegenüber der Geschädigten im erwähnten Fall von selbst stellt, entschied sich der Zurich Observer im November 2024 zu dieser Publikation.

Den Link zu diesem Artikel haben am Tag seiner Veröffentlichung, am 23. November 2024, die Schweizer Redaktionen "Blick", "Tagesanzeiger" und "Beobachter" per Email erhalten; von dieser Seite sind beim Zurich Observer keine Reaktionen eingegangen.

Politik:
Den Link zu diesem Artikel haben ebenfalls am 23.11. einige Fraktionspräsident:innen im Gemeinderat der Stadt Zürich (AL, Grüne, Mitte/EVP, FDP und SVP) sowie die Sekretariate einiger Gemeinderatsparteien (AL, Grüne, Mitte, EVP, FDP und SVP) per Email erhalten; von dieser Seite ist beim Zurich Observer keine offizielle Reaktion eingegangen.

Behörden:
Den Link zu diesem Artikel hat am 23.11. auch die Kanzlei der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich per Email erhalten. Von dieser Seite ist ebenso keine Reaktion eingegangen.

(15. Dezember 2024)

Schweiz: Staatsanwaltschaften mit hoher Fehlerquote

Das Schweizerische „Beobachter“-Magazin berichtete 2022, dass seit Einführung der neuen Schweizerischen Strafprozessordnung per 1. Januar 2011 neu rund 90% aller Strafverfahren der Schweiz ohne Gerichtsverfahren durch Strafbefehle erledigt werden. 2023 verlieh der Beobachter den Preis für den „schludrigsten Strafbefehl des Jahres“ an die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis.

Der Beobachter berichtete über etliche Probleme, die aus der neuen Schweizer Strafprozessordnung resultierten. Rund 20% der Strafbefehle würden wieder aufgehoben. Am 7. März 2022 titelte der Beobachter: „Wir suchen den Fehlbefehl des Jahres 2022 – machen Sie mit!“

Auf einen Blick ist klar, in welche Richtung Strafverfahren, die neu nur noch von Staatsanwaltschaften ohne gerichtliche Beurteilung geführt werden, gehen müssen.

Staatsanwaltschaften: Viel Lärm um nichts.

Deshalb erstaunt der Aufschrei des Beobachters, rund 11 Jahre nach Einführung der neuen Strafprozessordnung, nicht: Die inhärente Problematik dieses Strafbefehls-Systems wäre von Anfang an absehbar gewesen.

Der schludrigste Strafbefehl des Jahres

Im Januar 2023 kürte der Beobachter den „schludrigsten Strafbefehl“ des Jahres 2022. Eine vom Beobachter zusammengesetzte Jury aus drei Fachpersonen kam zum Schluss, dass die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis des Kantons Zürich dieses Negativpreises würdig wäre, und zwar wegen eines Falls, über den der Beobachter am 1. April 2022 berichtete: „Zwei Tage in Haft, weil Staatsanwaltschaft schlampte“.

Der Idee zu diesem Preis liegt die Geschichte eines Mannes, der 75 Tage in Haft sass, ohne zu wissen warum, zugrunde: „Die grosse Macht der Staatsanwälte“.

Beim Versuch, dem Leiter dieser Staatsanwaltschaft den Preis persönlich zu überreichen, scheiterte der Beobachter jedoch. Im Bericht vom 26. Januar 2023, „Der Beobachter kürt den schludrigsten Strafbefehl des Jahres“, hielt Lukas Lippert fest: „Der Empfang war so frostig wie der Tag. Die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis in Dietikon ZH weigerte sich am 26. Januar, den Negativpreis für den Fehlbefehl des Jahres entgegenzunehmen. Beobachter-Chefredaktor Dominique Strebel konnte den Pokal nicht persönlich übergeben.“

Es ist bedauerlich, dass der Beobachter inzwischen das fast einzige redaktionelle Medium der Schweiz ist, welches Polizei und Justiz noch kritisch auf die Finger sieht. Mit Ausnahme allenfalls noch des staatlichen Schweizer Fernsehens sehen alle anderen Schweizer Medien heute bequem weg. Die Mainstream-Journos der grossen Verlagshäuser picken sich die Rosinen aus dem Kuchen des Weltgeschehens. Die journalistische Knochenarbeit im umquemen Umfeld von Machtmissbräuchen der Staatsgewalt, der Polizei und der Justiz, überlassen sie geflissentlich – wem auch immer.

Mit der Strafbefehls-Problematik der Staatsanwaltschaften befasst sich nun im Schweizer Kanton Zürich noch wenigstens auch die Justizkommission des Kantonsrats. Ob das genügt?